25 Jahre nach Ausbruch des Jugoslawienkrieges: Bischofsreise im Zeichen geistlich-humanistischen Brückenbaus

Zsifkovics: "Rolle der Kirche und des Glaubens nicht nur im labilen Friedens- und Versöhnungsprozess des Landes von tragender Bedeutung, sondern auch für ein in die Tiefe wachsendes Europa" – Österreichische Bischofskonferenz wird 2018 in Sarajevo tagen

Bischof Zsifkovics, Kardinal Puljić, Pater Božidar und Pressesprecher Dr. Orieschnig bei der Planung der Besuchs der Österreichischen Bischofskonferenz in Bosnien 2018

 

Der in Bosnien geborene Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Ivo Andrić schrieb einmal, dass es von allem, was der Mensch baut und aufbaut, nichts Besseres und Wertvolleres gebe als Brücken. In diesem Sinne verstand Ägidius Zsifkovics auch seine jüngste Reise nach Bosnien-Herzegowina. In Zeiten von "Brexit" und anderen politisch-wirtschaftlichen Grabenbildungen in Europa knüpft der Eisenstädter Bischof und Europabischof der Österreichischen Bischofskonferenz damit weiter an den geistlich-humanistischen Netzwerken europäischer Integration: Im Rahmen eines mehrtägigen Arbeits- und Pastoralbesuches in Bosnien-Herzegowina pflegte der medial nicht zu Unrecht als "slawisch" apostrophierte Bischof nicht nur einen intensiven Gedankenaustausch mit geistlichen Entscheidungsträgern des Landes, sondern schloss auch neue Kooperationen, die die Seelsorge in der Diözese Eisenstadt für die kommenden Jahrzehnte verstärken und bereichern werden.

 

"Den europäischen Brunnen nicht zu seicht graben": Kirchliche und politische Situationsanalyse mit Kardinal Puljić

 

Zu Gast im Erzbischöflichen Haus konnte der Eisenstädter Bischof mit dem Kardinal der Erzdiözese Sarajevo, Vinko Puljić, die Lage des Landes und dessen Annäherungsversuche an ein vereintes Europa intensiv erörtern. Beide Bischöfe sind sich darüber einig, dass der christliche Glaube in Bosnien äußerst stark und lebendig ist – eine Qualität, die es bei allen noch zu bewältigenden politischen und wirtschaftlichen Reformen zu schützen und zu bewahren gelte.

 

Bischof Zsifkovics warnte in diesem Zusammenhang – 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und 25 Jahre nach dem Jugoslawienkrieg – vor politischen Lösungen in der Geschichte, die "auf dem politisch-ideologischen Reißbrett, im akademischen Elfenbeinturm oder in den Computern von Harvard-Spieltheoretikern entstehen und über tiefsitzende Befindlichkeiten und Mentalitäten von Völkern drübergestülpt" werden. "Eine Methode, die weder das Habsburgerreich trotz seiner vielen zivilisatorisch bedeutenden und guten Ansätze noch den Kommunismus mit seinen menschenzerstörenden Mitteln auf Dauer erfolgreich sein ließen", so Zsifkovics.

 

Gegen ein "zu 100% gestreamtes Europa"

 

Was es in einer sich zunehmend vernetzenden Welt brauche, seien vielmehr "dem Subsidiaritätsprinzip verpflichtete Organisationsformen, die aus der geschichtlichen, kulturellen und spirituellen Tiefe gespeiste Mentalitäten nicht ignorieren, sondern integrieren." Ein "zu 100% gestreamtes Europa", so der Europabischof, das den Menschen und seine zentralen Wahrheiten, wie etwa Freiheit und Gerechtigkeit, Ehe und Familie, Glück, Schönheit und Spiritualität "aus der alleinigen Perspektive von Binnenmarktfreiheiten und der Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen definiert" und das sich als ein "rund um die Uhr konsumierendes Multikulti zunehmend profilloser, einander in – als Toleranz bezeichneter – Gleichgültigkeit begegnender Gruppen sieht", sei zum Scheitern verurteilt.

 

Eine Gefahr, der die Erzdiözese Sarajevo mit ihren renommierten Europaschulen in der Verantwortung von Weihbischof Pero Sudar, die auf ein echtes Miteinander religiös und ethnisch selbstbewusster, gleichzeitig hochgebildeter junger Menschen setzen, sehr bewusst ins Auge blickt. Es ist eine Gefahr, die der Kardinal von Sarajevo auch bei den jüngsten Entwicklungen im eigenen Land sieht: Das Abkommen von Dayton habe einen wackligen Frieden geschaffen, der "einen erfolgreichen politischen Prozess in Bosnien nicht einfach" mache und "nicht in die kulturelle Tiefe" gehe. Besondere Sorge bereitet dem Oberhaupt der Katholischen Kirche in Bosnien diesbezüglich die nachhaltig steigende, massive Abwanderung von Katholiken aus dem Land, deren Gründe in erster Linie Zukunftsängste und mangelnde Perspektiven seien. In diesem Zusammenhang einigten sich beide Bischöfe auf die Wichtigkeit einer weiteren gegenseitigen personellen und materiellen Unterstützung und Kooperation zwischen den ihnen anvertrauen Diözesen.

 

Aber auch ein anderes bedeutendes Thema stand auf der Agenda des Treffens: Als Delegierter der Österreichischen Bischofskonferenz zeichnet Bischof Zsifkovics für die Planung der Vollversammlung der österreichischen Bischöfe im Frühjahr 2018 in Sarajevo verantwortlich. Gemeinsam mit dem Bischöflichen Sekretär und Pressesprecher der Diözese Eisenstadt Dominik Orieschnig erarbeiteten beide Bischöfe ein anspruchsvolles Programm für den bevorstehenden Besuch, der nicht nur auf kirchlicher, sondern auch auf staatlicher und europäischer Ebene Bedeutung haben wird.

 

 

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Integration über EU-Außengrenzen hinweg

 

Ein Besuch des Bischofs bei den Franziskanischen Schulschwestern in Sarajevo machte deutlich, dass Verständigung und Integration in der Welt der Kirche nicht letztabhängig ist von geografischen, politischen und ethnischen Grenzen. Das Evangelium selbst, so Zsifkovics, "ist bereits die Gründungscharta der einen Welt im Zeichen der Gottes- und Nächstenliebe, die keine Grenzen und Unterschiede zwischen den Menschen vorsieht." Und die Kirche ihr dazugehörendes Globalinstitut.

 

Gemeinsam mit Provinzoberin Sr. Kata Karadža besiegelte Bischof Zsifkovics in diesem Geist eine weitere Kooperationsvereinbarung zwischen dem Orden und der Diözese Eisenstadt. So wird ab Herbst dieses Jahres im burgenländischen Dekanat Großwarasdorf eine weitere Franziskanische Schulschwester aus Sarajevo ihren Dienst verrichten, wodurch es mit September in der Diözese Eisenstadt eine weitere ordensrechtlich errichtete Kommunität von vier Schwestern geben wird.

 

Anschließend führte die energetische Ordensfrau den Bischof durch eine der Baustellen, die Ordensgemeinschaften auf der ganzen Welt immer wieder zu bewältigen haben. Im Falle der Schulschwestern ist es ein notwendig gewordenes neues Provinzhaus mit angrenzendem Gäste- und Sozialwohnheim. Ein herausforderndes Projekt, bei dem die Schwester ihre Managementtalente gut gebrauchen kann.

 

 

 

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Wenn Ägypten in Bosnien liegt

 

"Alles im Leben ist eine Brücke – ein Wort, ein Lächeln, das wir dem anderen schenken." Auch dieses Wort von Ivo Andrić wurde bei den weiteren Begegnungen in Bosnien spürbar. Besonders freute sich der Bischof auf den Besuch bei "seinen" Schwestern, wie er die "Dienerinnen vom Kinde Jesus" liebevoll nennt – ist es doch die Ordensgemeinschaft, die auch im Eisenstädter Bischofshof und im Altenwohn- und Pflegezentrum Haus St. Martin ihren geistlichen Dienst verrichtet. Kaum hatte der Bischof das Provinzialatshaus in Sarajevo betreten, fielen ihm gleich einige Jugendliche um den Hals, die ihn noch von seinem letzten Besuch in guter Erinnerung behalten hatten.

Denn das 1890 gegründete Waisenhaus "Egipat" (Ägypten) gehört zum gleichnamigen Kloster und wird ebenfalls von den "Dienerinnen" geleitet. Es hat viele Zerstörungen in den beiden Weltkriegen sowie im Jugoslawienkrieg erlitten, doch der Orden kennt kein Aufgeben: In familiärer Atmosphäre sind gestern wie heute die Schwestern wie Eltern für die Kleinen, die teilweise schwere Schicksale zu tragen haben – dies alles im Gedenken an das Kind Jesus, das ein Flüchtling in Ägypten war, und das dem Frauenorden seinen Namen gibt. Hilfreich zur Seite steht den Schwestern dabei die Caritas der Diözese Eisenstadt, die das Projekt finanziell unterstützt.

 

Der im Haus integrierte Kindergarten "Herz" wird ebenfalls von den Schwestern betreut und steht auch anderen Kinder aus der Stadt offen. Die Älteren gehen in eine nahe gelegene katholische Schule. In der Erziehung legen die Schwestern auch Wert auf die Vermittlung des christlichen Glaubens, wobei eine in anderen Ländern undenkbare ökumenische und interreligiöse Dimension zu beobachten ist. So war es berührend zu erleben, wie christliche und muslimische Kindergartenkinder vor ihrem Mittagsschlaf gemeinsam um den Schutz der Engel für alle Kinder auf Erden beteten.

 

Provinzoberin Sr. Admirata Lučić führte den Eisenstädter Bischof durch die Räume dieses an Liebe so reichen Hauses und gab ihm ihre herzliche Bitte um weitere Unterstützung der "Dienerinnen vom Kinde Jesus", vor allem bei der anstehenden Errichtung eines geistlichen Zentrums in Slavonski Brod, mit auf den Heimweg.

 

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Der Staat Bosnien-Herzegowina ging aus dem Abkommen von Dayton (1995) hervor. Der Vertrag beendete den Krieg im Land und schuf einen einheitlichen, jedoch stark föderalistischen Staat. Heute besteht Bosnien und Herzegowina aus den beiden Entitäten Föderation Bosnien und Herzegowina (mehrheitlich von Bosniaken und bosnischen Kroaten bevölkert) und Republika Srpska (mehrheitlich von bosnischen Serben bevölkert). Die Volkszählung 1991 ergab 44 Prozent Muslime (größtenteils Bosniaken), 31,5 Prozent Serbisch-Orthodoxe (größtenteils Serben), 17 Prozent Katholiken (größtenteils Kroaten). Der Rest der Bevölkerung gehört einer der 17 offiziell anerkannten Minderheiten an.

 

Die Erzdiözese Sarajevo (Vrhbosna) ist das einzige römisch-katholische Erzbistum in Bosnien und Herzegowina mit Sitz in Sarajevo. Die römisch-katholische Kirche in Bosnien und Herzegowina ist eng mit der römisch-katholischen Kirche in Kroatien verbunden. Die Erzdiözese war stets Teil der Kirche unter den Kroaten und trug in wesentlichem Maße zur Erhaltung und Pflege der katholischen Traditionen in einem osmanisch-muslimisch dominierten Umfeld bei. Derzeitiger Erzbischof ist Vinko Kardinal Puljić.

 

Die Frauenkongregation der Dienerinnen vom Kinde Jesus wurde von Erzbischof Josef Stadler (* 24. Januar 1843 in Slavonski Brod; † 8. Dezember 1918 in Sarajevo) gegründet. Die römisch-katholische Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina und auch Menschen anderer Konfessionen und Religionen verehrten den für seine soziale und menschenliebende Haltung – v.a. gegenüber Kindern, Kranken und Alten – bekannten Bischof als den "Vater der Armen". Josip Stadler wurde im Dom zu Sarajevo beigesetzt. Am 12. April 1997 betete Papst Johannes Paul II. an seinem Grab. Der Prozess für seine Seligsprechung wurde am 20. Juni 2002 in Sarajevo eingeleitet. Seine Gründung, die Dienerinnen vom Kinde Jesu, ist heute in mehreren Ländern vertreten, unter anderem in Österreich in der Diözese Eisenstadt.

 

 

https://www.mar

Hl. Papst Johannes Paul II.

Trausdorf, 24. Juni 1988

..... "Liebe Christen der Diözese Eisenstadt! Im Geist des heiligen Martin überschreitet ihr auch die Grenzen eurer Heimatdiözese. Diese ist sich mit ihrem Bischof der Brückenfunktion bewußt, die ihr gerade zu den Völkern Osteuropas hin habt. Ihr seid bereit, mit ihnen Kontakte zu pflegen und auch mit ihnen zu teilen, materiell und geistig." .....

Dominik Orieschnig, Sprecher der Diözese Eisenstadt, über den aktuellen Bau eines Zauns zur Grenze nach Ungarn im Interview mit Radio Vatikan

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